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Wird es eine Renaissance des Goldstandards geben?

Durch die soziale Medienlandschaft geistert seit einigen Wochen eine Pressemitteilung der russischen Zentralbank. In dieser erklärte sie, ab dem 28. März bis zum 30. Juni 2022 Gold zu einem Festpreis von 5000 Rubel pro Gramm bei Kreditinstituten einkaufen zu wollen. Das solle den inländischen Edelmetallmarkt ausgleichen und ein reibungsloses Funktionieren der Goldindustrie im laufenden Jahr ermöglichen.

Eine Vielzahl der Communityteilnehmer frohlockte und erkannte darin einen Goldstandard im russischen Währungssystem. Doch eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Dennoch möchte ich nicht ausschließen, dass das Endergebnis dieses Prozesses der russischen Zentralbank ein solcher Goldstandard sein könnte. Sie lassen sich da nicht in die Karten schauen.

Was lässt mich zu dieser Schlussfolgerung kommen? Russland kauf seit Jahren konstant enorme Mengen an Gold. Hinzu kommt, dass für die russischen Staatsfinanzen für das Jahr 2021 eine Schuldenquote von knapp 14 Prozent prognostiziert wird. Eine im internationalen Vergleich eher geringe Verschuldungsquote. Doch soll die Analyse dieser unterschiedlichen geldpolitischen Strategien nicht Ziel meiner Betrachtung sein. Überlassen möchte ich die abschließende Bewertung jedem Einzelnen.

Um die Einordnung und Bewertung des Verhaltens der russischen Zentralbank zu ermöglichen, möchte ich mich im Folgenden mit dem Thema „Goldstandard“ unter historischen Gesichtspunkten beschäftigen und nach Analogien zur heutigen Zeit suchen.  

Im 19. Jahrhundert gab es eine vorausschauende und auf Stabilität setzende internationale Geldkultur. Ihre Maxime lautete: eine Geldpolitik umzusetzen, die auf Gold basierte und private und öffentliche Schulden verachtete. Eine Idee, die ich bereits seit einigen Jahren favorisiere. Doch wissen wir heute, dass dieser Leitsatz nicht für die aktuelle Geldpolitik gilt.

Warum und wie kam es zu dieser Veränderung?

Die Leuchttürme dieses geldpolitischen Paradieses waren damals die Zentralbanken wie die Bank of England, die Banque de France, die Schweizer Nationalbank, die frühe Federal Reserve, die Österreichisch-Ungarische Nationalbank, die Deutsche Reichsbank und die Zentralbank der russischen Föderation. Beispielsweise besaß letztere, die einst eine Golddeckung von 50 bis 100 Prozent auf alle neuen Banknoten garantierte, bei der Wende zum 20. Jahrhundert die zweitgrößte Goldreserve der Welt.

Die Länder, die gemeinsam mit dem Goldstandardsystem verbunden waren, repräsentierten in meinen Augen eine Interessens- und Verantwortungsgemeinschaft für die Aufrechterhaltung einer wirtschaftlichen und finanziellen Stabilität ihrer jeweiligen, teilweise voneinander abhängigen Volkswirtschaften. Diese Welt des 19. Jahrhunderts entwickelte den Goldstandard, dieses außergewöhnliche Symbol der Einheit und der wirtschaftlichen Solidität und Solidarität.

Das war eine Zeit, in der sich die unsichtbare Hand des Marktes gegen staatliches Währungsmanagement durchsetzte und behauptete. Die Einlösbarkeit von Geld in Gold ermöglichte eine Stabilität der Wechselkurse. Kredite wurden nur soweit ausgegeben, wie die Kapitalreserven es zuließen. Darüber hinaus waren die Zentralbanken dazu gezwungen, Goldreserven gegenüber den umlaufenden Banknoten (Bargeld) und den Einlagen (Buchgeld) zu halten.

Was war des Pudels Kern der damaligen Geldpolitik? Von welchen Überzeugungen waren die Verantwortlichen motiviert? 

Die Metapher der unsichtbaren Hand des Marktes

Diese sprachliche Bedeutungsübertragung stammt aus Adam Smiths Werk „Wohlstand der Nationen“. Laut dem schottischen Moralphilosophen und Begründer der klassischen Nationalökonomie sorgt das eigennützige Handeln des Menschen automatisch für eine Verbesserung des Allgemeinwohls. Angebot und Nachfrage auf einem Markt reguliert sich wie durch eine unsichtbare Hand völlig von selbst. Es ist ein Naturgesetz. Nur in einer solchen Umgebung, in der dem Menschen maximale Freiheiten gegeben werden, kann Wohlstand für eine möglichst große Anzahl von Menschen gewährleistet werden.

Immer dann, wenn der Staat mit Maßnahmen und Gesetzen in die Selbstregulierung des Marktes eingreift, werden Menschen nicht mehr nutzen- und gewinnmaximierend handeln. Damit wären die Selbstregulationsmechanismen geschwächt oder völlig außer Kraft gesetzt.

Für mich ist dieser Zusammenhang vergleichbar mit dem im Zentrum der hippokratischen Tradition stehenden Grundsatz der Medizinethik: „primum non nocere“. Zu Deutsch: „Erstens nicht schaden“. Diesem antiken Wahlspruch zufolge soll der Arzt in seinem Bemühen, dem Menschen zu helfen, zunächst darauf achten, ihm nicht zu schaden. Also ist im Zweifelsfall, wenn für den Behandler nicht einschätzbar ist, welche Nebenwirkungen durch den medizinischen Eingriff bei dem Menschen entstehen, von medizinischen Aktionen eher abzusehen.

Natürlich ist es letztlich die Entscheidung des Patienten, welche Behandlungen er an seinem Körper zulässt. Auf die Volkswirtschaft übertragen, sehe ich grundsätzlich jegliche äußere menschliche Einflussnahme auf wirtschaftliche Transaktionen kritisch. Ist doch in den meisten Fällen nicht abschätzbar, welche Auswirkungen die Maßnahme auf das gesamte Konstrukt hat.

Gerade ein hochkomplexes System, wie einer Volkswirtschaft oder der menschliche Körper, kann eben nicht wie eine Maschine gesteuert werden, indem man einfach einen Inputparameter verändert in der Hoffnung, dass sich die gewünschte Wirkung an dem entsprechenden Outputparameter zeigt. So einfache Ursache-Wirkungsketten sind in hochkomplexen Systemen eben nicht vorhanden. Gelten hier doch eindeutig andere Gesetzmäßigkeiten. Die Veränderung eines kleinen Parameters kann enorme Auswirkungen auf das gesamte System haben.

Von Menschen gemachte komplexe Systeme wie unser heutiges planwirtschaftliches Wirtschaftssystem haben die Tendenz, nicht mehr kontrollierbare Reaktionsketten zu entwickeln, die gravierende Ereignisse zur Folge haben. Ein flüchtiger Blick auf unsere aktuelle wirtschaftliche Situation zeigt deutlich die Konsequenzen menschlicher Eingriffe in unsere Ökonomie.

Die in den letzten Jahrzehnten ausufernde Staatsverschuldung und das exzessive Gelddrucken der Europäischen Zentralbank zur Rettung des EURO zeigen nun ihre hässliche Fratze in Form einer immer stärker um sich greifenden Inflation.
Schwarze Schwan-Ereignisse wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg sind nicht die Ursache dieser Entwicklung, sondern decken lediglich die entstandenen Ungleichgewichte auf.

Da das künstlich Konstruierte in unserer Gesellschaft immer mehr zunimmt und wir uns damit immer weiter von der Natur und ihren Gesetzmäßigkeiten entfernen, verlieren wir viel von unserer natürlich angeborenen Robustheit und sind externen Schocks oft hilflos ausgeliefert. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese künstlichen Systeme für eine Umgebung konzipiert wurden, die mit einfachen Ursache-Wirkungsketten und sich langsam bewegenden Informationen arbeiten.
Die Realität sieht natürlich anders aus. Komplexer und wahnsinnig schnelllebig. Menschliche Eingriffe in solche Strukturen verursachen meist unerwünschte und unvorhersehbare Reaktionen. Vergleichbar sind diese Auswirkungen wie die Einnahme von Medikamenten, die durchaus kurzfristig Linderung versprechen, aber schlimme Nebenwirkungen haben.

Als noch die unsichtbare Hand des Marktes die Geldpolitik dominierte

Der Zahlungsverkehr in Gold regulierte das Angebots- und Nachfrageverhalten der Menschen durch funktionierende Mechanismen, die sich selbst korrigierten: Preise stiegen, wenn es eine Einfuhr von Gold gab. Diese Zuflüsse führten zur Ausweitung der Kredite und zum Anstieg der Preise. Ein Goldabfluss bedeutete, dass die Kredite schrumpften und dass eine Preisdeflation folgte.

Diese Marktkräfte wurden in keiner Weise von den Zentralbanken behindert. Das Ergebnis war, dass jede wirtschaftliche oder finanzielle Störung, die irgendwo auf der Welt auftrat und die die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Gleichgewichts gefährdete, kurzerhand durch das Wechselkurssystem gedeutet werden konnte und schon im Keim erstickt werden konnte. So führte der Goldstandard zu wirtschaftlicher Prosperität und wurde zu einem Barometer, um wirtschaftliche Störungen rechtzeitig zu erkennen und auszugleichen.

Die Bank of England war eine Institution, die für Stabilität und Konstanz stand. Ihre restriktive Kreditpolitik, die den Schutz der eigenen Reserven in den Vordergrund ihres Handelns stellte, führte dazu, dass die BoE die führende Notenbank in dieser Zeit wurde. Und das, obwohl sie nicht einmal die größten Goldreserven hielt. Aber die BoE war nicht der einzige Hüter der Geldwertstabilität. Auch die Schweiz verlangte hohe Standards von ihrer 1907 gegründeten Zentralbank. Das Ergebnis: im Gegensatz zu fast jeder Währung eines westlichen Landes, wurde der Schweizer Franken nie abgewertet, und das inländische Preisniveau ist eines der stabilsten auf der ganzen Welt.

Die Bank Rossii überlebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts diverse kriegerische Auseinandersetzungen. Ganz zu schweigen von dem, was noch kommen sollte. Und ging gestärkt daraus hervor, mithilfe einer vernünftigen Finanzpolitik und massiven Goldreserven. Eine offensichtliche Analogie zur heutigen Situation der russischen Zentralbank.

Nach dem Untergang des Bimetallismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Gold weiterhin von den Hauptländern der westlichen Welt für den Zahlungsverkehr genutzt. Es war das einzige Tauschmittel und das einzige uneingeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Es wurde zum viel gerühmten Wertmaßstab. Banknoten wurden einfach als Ergänzung zum Gold verwendet und genossen in der Regel nicht das Privileg, ein gesetzliches Zahlungsmittel zu sein.

Das Ende einer Ära

Die drei Hauptelemente der Geldpolitik zeigen sich in der Haltung gegenüber Gold, der Währung und der Kreditvergabe. Nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich nicht nur die internationale Landschaft, sondern eben auch die Haltung gegenüber den drei Bereichen in der Geldpolitik.

Am Beispiel von Deutschland zeigt sich ein bedeutender Meilenstein. Das Ende des Ersten Weltkrieges und die sich daran anschließende deutsche Hyperinflation führte zur Zerstörung des damaligen Geldwesens. Dieser Prozess fiel zeitlich mit der Auflösung des alten hierarchischen politischen Systems zusammen. Höchst bemerkenswert ist die Gleichzeitigkeit, mit dem sowohl das alte Geldsystem, als auch die politischen Machtverhältnisse sich veränderten. Zwei Autoritäten der damaligen Zeit stürzten und sie hinterließen den Zwang, zur Konstruktion neuer Systeme. Der parlamentarischen Parteiendemokratie und einer neuen Währungsordnung, die im Wesentlichen auf der Geldschöpfung durch Kredit beruht. 

Fakt war: Der Mechanismus des Goldstandards existierte nicht mehr. Nur die Vereinigten Staaten hatten einen vollen Goldstandard. England und Frankreich hatten einen Barrengold-Standard und Länder wie Deutschland hatten einen Gold-Devisen-Standard.

Die Abkehr von einer seriösen Geldpolitik führte in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten zu teilweise exzessiven Fehlentwicklungen. Spekulative Booms führten dazu, dass die Vereinigten Staaten ihre eigenen Kreditrichtlinien verletzten. Dieses Vorgehen führte letztlich zur 1929 beginnenden Weltwirtschaftskrise, in deren Verlauf das faktische Ende des Goldstandards eingeläutet und umgesetzt wurde.
Die Rolle des Goldes wurde zugunsten des Dollars stark eingeschränkt. Mit dem Bretton-Woods-Abkommen von 1944 wurde eine Politik des Wirtschaftsinterventionismus installiert, deren Hauptaufgabe es war, die konjunkturellen Wellen durch permanente Eingriffe in den Wirtschafts- und Finanzkreislauf zu glätten.

Die maßgebliche Akteure unserer heutigen Geldpolitik sehen ihre Aufgabe darin, Politikern „Ratschläge“ zu geben, wie Stetigkeit der Entwicklung erreicht und gewahrt, Stagnation verhindert, aber vor allem auch Inflation im Griff behalten wird. Diese Politik der sichtbaren Hand ist kein System von Dauer. Es ist laut Ludwig von Mises eine Methode, um allmählich und stufenweise vom Kapitalismus zum Kommunismus überzugehen. 

Seit dem Inkrafttreten des Bretton-Woods-Abkommens herrscht das Papiergeld zusammen mit dem Giralgeld. Jenes Geld, das sich nur in Gutschriften, in den Büchern der Banken manifestiert und nichts anderes als ein abstraktes Zahlungsmittel darstellt.
Es ist nicht mehr der Wertmaßstab von einst. Der Nordstern, nach dem sich die internationalen Währungskapitäne richten konnten, war verschwunden. Die Welt ist seitdem im finanziellen Blindflug unterwegs. Schlagworte wie „Quantitative Easing“, Nullzinspolitik, Helikoptergeld lassen in mir die Frage aufkommen, ob die moderne Demokratie, die bereits in Entartung durch Lobbyismus und Bürokratisierung begriffen ist, überhaupt zur Bewahrung guten Geldes fähig ist. Obwohl, ich kenne die Antwort auf diese Frage bereits.

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.