1x1 der Finanzen Blog

Größter Zinssprung seit 1994

Zinsen in den USA steigen – Erfolg der Aktion fraglich

Wie schon im Vorfeld spekuliert wurde, hat der amerikanische Fed-Chef Jerome Powell den Leitzins um 75 Basispunkte angehoben. Bereits sein Kommentar, er habe keineswegs vor, die US-Wirtschaft abzuwürgen, spricht Bände. Powell steht vor dem bekannten Dilemma:

Steigende Zinsen verringern die Kreditmenge, was zu einem Rückgang der Investitionen führt und dann zu jenem Abwürgen der Wirtschaft, das Powell offenbar schon selbst befürchtet. Die Alternative wäre ein Beibehalten niedriger Zinsen, was die Inflation weiter anfeuern würde. Im schlimmsten Fall droht ein negativer Doppelschlag. Einerseits werden Investitionen gehemmt und die Wirtschaft bricht ein. Andererseits sind die Zinserhöhungen nicht stark genug, um die Inflation wirksam zu bekämpfen.

Ein Blick in die Geschichte: 20 % Zinsen waren damals nötig.

Diese Kombination aus steigenden Verbraucherpreisen bei ausbleibendem Wirtschaftswachstum wird seit den 1970er Jahren als Stagflation bezeichnet – ein Kofferwort, in dem sich die Stagnation und die Inflation verbirgt. Der Mann, der sie beendete, war Paul Volcker, von 1979 bis 1987 Chef der Fed. Er hob die US-amerikanischen Zinsen 1980 in der Spitze auf fast 20 % an.

Zum Vergleich: Nach dem „drastischen“ Zinsschritt liegt die Federal Funds Rate jetzt bei mageren 1, 5 bis 1,75 %. Das ergibt bei einer aktuellen Inflation in den USA von 8,6 % einen realen Negativzins von -6,85 bis -7,1 %. Das sind, wohlgemerkt, die offiziellen oder auf Deutsch: die beschönigten Zahlen.

Warum die Volcker-Methode heute nicht mehr funktionieren kann

Dann, so könnte man meinen, hilft es eben, sich an Paul Volcker zu orientieren und die Zinsen wirklich massiv anzuheben. Leider funktioniert das nicht mehr. Der Hochzinsphase der frühen Achtziger Jahre folgten in den USA Jahrzehnte kontinuierlich fallender Zinsen. Nach der Finanzkrise ab 2007 setzte dann relativ zügig die reale Negativverzinsung ein, die bis heute anhält. Diese hält die finanzielle Belastung unter leidlicher Kontrolle.

Die ständig fallenden und dann negativen Zinsen waren die Voraussetzung für die proportional und dann überproportional ansteigende Verschuldung der USA. Das Geschäftsmodell lautete ganz einfach: Wir lassen in Asien produzieren, dafür investieren die Asiaten in unsere Anleihen und bekommen dafür weniger und weniger und schließlich eine negative Rendite. Wenn dieses Spiel nun vorbei ist, dann ist das schuldenbasierte System insgesamt in Frage gestellt. Die USA haben schlicht nicht die Mittel, um eine positive Rendite zu finanzieren.

Dedollarisierung schreitet voran, Gold fällt trotz Zinsanhebung nicht.

Das wahrscheinlichste Szenario ist eine fortschreitende, aber auch schleichende Dedollarisierung der Wirtschaftsbeziehungen außerhalb der USA und ihrer nächsten Verbündeten aus ganz pragmatischen Gründen des Selbstschutzes. In den USA und Europa werden hohe Inflationsraten und stagnierende Volkswirtschaften das „New Normal“ darstellen, sofern das System überhaupt überlebt.

Im Moment lohnt es sich auch, einen Blick auf den Goldpreis zu werfen. Die typische Reaktion auf steigende Zinsen müsste laut Lehrbuch ein fallender Goldpreis sein. Werfen doch Anleihen höhere Zinsen ab, was sie gegenüber Gold attraktiver macht. Diese Weisheit hat allerdings inzwischen großväterlichen Charakter.

Die Logik funktionierte in den 80er und 90er Jahren, weil es positive Realverzinsungen gab. Es war die lange Zeit der fallenden Seitwärtsbewegung am Goldmarkt nach dem Bullenmarkt der 70er. Ein Zinsanstieg, der eine – temporär – etwas moderatere Negativverzinsung bietet, kann nicht ernstlich als Argument gegen Gold angesehen werden. Entsprechend fiel der Goldpreis als Reaktion auf den Zinsschritt nicht, sondern stieg.

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.