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Edelmetallpreise: Kommt der „Moskauer Weltstandard“?

Die vielfältigen und nicht selten als überhastet anmutenden Sanktionen gegen Russland scheinen in manchen Bereichen der Weltwirtschaft offenbar als Turbomotor für innovative Veränderungen zu wirken.

So wurde erst jüngst bekannt, dass die sogenannte Eurasische Allianz, eine mit Binnenmarkt und Zollunion arbeitende Gemeinschaft der Staaten Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgisistan sowie der Russischen Föderation die Einführung eines neuen Systems zur Festlegung von Edelmetallpreisen plane. Der sogenannte „Moskauer Weltstandard“ soll das bisherige Monopol der London Bullion Market Association (LBMA) brechen und für marktgerechte Konditionen beim Handel mit Gold, Silber, Platin und Palladium sorgen.

Aktuelles Goldpreis-System nicht ohne Kritik

Momentan wird zweimal täglich der Goldpreis von der LBMA im Rahmen einer Telefonkonferenz festgelegt, an der eloquente westliche Bankhäuser wie die Barclays Bank PLC, Goldman Sachs Intl., die HSBC Bank, aber auch die Bank of China teilnehmen. Aufgrund der Zusammensetzung dieses Gremiums und der sich daraus ergebenden Monopolstellung ist diese Art des Preisfixings in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Kritik und dem Vorwurf gezielter Manipulation gewesen.

So reichte beispielsweise im Jahr 2014 der aus New York stammende Edelmetallhändler Kevin Maher vor einem Bundesgericht in Manhattan eine Klage gegen die Deutsche Bank und die übrigen Institute auf Schadenersatz ein. Mahers Ansicht zufolge hätten sich die beteiligten Banken bei der Festlegung des Goldpreises abgesprochen – ein schwerwiegender Vorwurf.

Fakt jedenfalls ist, dass die LBMA am 07.03.2022 aufgrund des Sanktionspaketes sämtliche russischen Gold- und Silberscheideanstalten aus der Lieferliste gestrichen und damit den Zugang zum Handel unmöglich gemacht hat. Dass dies nicht ohne Antwort bleiben würde, lag auf der Hand. Schließlich finden sich die betroffenen Scheideanstalten in einer Situation wieder, die nicht nur ihre Umsätze bedroht, sondern auch Auswirkungen auf die soziale Situation der dort beschäftigten Mitarbeiter hat.

LBMA-Monopol bei der Preisbildung für Edelmetalle soll gebrochen werden

Die Idee der Schaffung einer neuen Preisbildungs- und Handelsinfrastruktur auf dem internationalen Edelmetallsektor dürfte den Verantwortlichen der LBMA mit Sicherheit nicht behagen. Denn kommt es tatsächlich zu einem „Moskauer Weltstandard“, dürfte es mit der Londoner Monopolstellung dahin sein. Dies nicht zuletzt wegen der Pläne, auch eine eigene global arbeitende Edelmetallbörse als Handelsplatz mit Sitz in der russischen Hauptstadt Moskau zu schaffen, welche auf dem neuen Weltstandard basieren soll.

Im Detail würde dann wohl ein ins Leben gerufener Ausschuss auch die Referenzpreise zu nationalen Währungen der Teilnehmerländer bzw. in neu geschaffenen internationalen Abrechnungseinheiten festlegen. Alles in allem sind dies Maßnahmen, die das bisherige System aus Zentral- und Edelmetallbanken kräftig ins Wanken bringen würden.

Für viele Länder eine mögliche Option

Sollte die in Rede stehende Idee tatsächlich umgesetzt werden, könnte Russland die gegen sich verhängten Sanktionen im Bereich von Goldverkäufen umgehen. Gleichwohl ist das keineswegs das einzige Ziel der Pläne zur Schaffung eines neuen Weltstandards. Denn die Initiatoren zeigen sich aufgeschlossen für eine breite Beteiligung am neuen System. So wäre es für viele ausländische Teilnehmer am Edelmetallmarkt sicher attraktiv, die momentane Vorherrschaft der LBMA beim Preisfixing im Edelmetallsektor zu beenden. Auch dürfte die Erfahrung der jüngst gegenüber Russland verhängten „Sperre“ der Währungsreserven in Euro, US-Dollar und Yen andere Staaten zum Nachdenken bringen und dazu führen, dass statt einer Rücklage in diesen Währungen eher auf Gold als Sicherheit gesetzt wird.

Ja zu fairen Edelmetallpreisen!

Es ist keine schlechte Idee, einen neuen international gültigen Standard für Edelmetallpreise zu schaffen. Mit der Einführung des „Moskauer Weltstandards“ ließe sich vermutlich nicht nur die russische Edelmetallindustrie retten, sondern es könnte auch zu einer Normalisierung bei der Preisentwicklung kommen. Und selbst wer sich mit dem Gedanken einer Manipulation durch die LBMA bzw. der in ihr vereinten Banken nur schwer anzufreunden vermag, wird kaum etwas gegen faire Preise bei Gold, Silber, Platin und Palladium haben. Die NMF OHG jedenfalls steht der Idee eines neuen Weltstandards aufgeschlossen gegenüber.

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.