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Die Grundsteuerreform – eine Enteignung?

Ist die Grundsteuerreform in Deutschland eine gerechte Anpassung oder eine große Enteignungsinitiative? Was steckt hinter dieser Reform? Wer ist davon betroffen und welche Auswirkungen hat sie?

Mittlerweile sollte es jeder mitbekommen haben: Die Grundsteuer in Deutschland wird reformiert. Am 09. April 2018 kippte das Karlsruher Bundesverfassungsgericht die bisher geltende Regelung und forderte somit die Bundesregierung auf, eine neue, verfassungskonforme Regelung zu finden. Im Kern erklärten die Richter die derzeitige Form der Berechnung für verfassungswidrig.

Was kritisieren die Richter?

Bisher errechnete sich die Grundsteuer wie folgt: Grundsteuer p.a. = Einheitswert x Steuermesszahl x Hebesatz

Der Einheitswert ist dabei die als verfassungswidrig erkannte Variable. Er wird von den zuständigen Finanzämtern festgelegt. Wobei sie sich an den Wertverhältnissen orientieren, die zum Zeitpunkt der letzten sogenannten Hauptfeststellung vorlagen. Der Bund definiert die Steuermesszahl und die Kommunen den Hebesatz.

Die Kritik bei der Errechnung des Einheitswertes rührt daher, dass die letzte Hauptfeststellung bereits sehr lange her ist. In Westdeutschland fand diese am 01. Januar 1964 statt. In den neuen Bundesländern sogar noch früher, am 01. Januar 1935. Das Gericht argumentiert, dass die Einheitswerte demnach deutlich unter den heutigen Verkehrswerten liegen. Ein Argument, welches schlüssig erscheint. Die neue Regelung soll dem Grundsatz Rechnung tragen, dass je mehr Wert eine Immobilie sei, desto höher auch ihre Grundsteuer sein müsse.

Wer ist betroffen?

Mit dem Urteil sind zunächst alle Grundstücks- und Immobilienbesitzer verpflichtet, eine Grundsteuererklärung einzureichen. Insgesamt sind 36 Millionen Grundstücke betroffen. Deren digitale Erfassung, kaum verwunderlich im digitalen Drittweltland Deutschland, ein Chaos darstellt. Weshalb es bundesweit zu Fristverlängerungen kam.
Die neue Regelung tritt dann am 01. Januar 2025 planmäßig in Kraft. Die Grundsteuer ist in der Regel vierteljährlich an die jeweilige Kommune abzuführen und ist damit eine ihrer Haupteinnahmequellen. Über den von den Kommunen definierten Hebesatz haben diese bis dato versucht, die Wertentwicklungen teilweise zu berücksichtigen. Verantwortlich für die Erklärung sowie das Abführen der Grundsteuer ist immer der Grundstückseigentümer.

Indirekt sind jedoch auch die Mieter und Pächter betroffen, da sie entsprechend auf diese umgelegt wird. Von daher sollte die Reform auch Nicht-Eigentümer interessieren. Der zum damaligen Zeitpunkt noch als Bundesfinanzminister tätige Olaf Scholz bezeichnete die Reform als „eine sozial gerechte Lösung. Die auch dazu beiträgt, dass dies überall in unserem Land akzeptiert wird“. Doch was ändert sich zunächst konkret?

Einführung einer neuen Grundsteuerkategorie

Neben den beiden bestehenden Grundsteuerkategorien A und B wird eine neue, dritte Kategorie C eingeführt.

  • Grundsteuer A = Für landwirtschaftlich genutzte Flächen
  • Grundsteuer B = Für bebaute Grundstücke und alle anderen

Neu: Grundsteuer C = Für unbebaute, baureife Grundstücke; sprich Grundstücke, für die bereits eine Bauerlaubnis erteilt wurde. Damit wird im Rahmen der viel beschworenen Wohnungsknappheit ein gewisser Druck aufgebaut, um neue Wohnflächen zu erschaffen.

Neues Berechnungsmodell

Im Folgenden wird das sogenannte Bundesmodell als Grundlage erläutert. Dennoch haben sich bereits einige Bundesländer geeinigt, dass sie dem Bundesmodell nicht folgen werden. In den Berechnungen in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen fließt der Bodenrichtwert nicht in die Berechnung mit ein.

Die neue Berechnung im Bundesmodell sieht wie folgt aus: Grundsteuer p. a. = Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz

Der Grundsteuerwert ist die neue Variable und ersetzt den Einheitswert. Die Steuermesszahl wird weiterhin vom Bund festgesetzt, der Hebesatz weiterhin von der Kommune. Im Weiteren erläutern wir, wie sich die einzelnen Variablen errechnen:

Der Grundsteuerwert setzt sich im Wesentlichen aus dem Grundstückswert und dem Wert der sich darauf befindlichen Immobilie zusammen:

Grundsteuerwert ≈ Grundstückswert + Wert des Hauses

Wie berechnet sich der Grundsteuerwert?

Im einfacheren Beispiel für ein unbebautes Grundstück sieht dies wie folgt aus:

Beispiel 1: Ein unbebautes Grundstück

Grundsteuerwert für ein unbebautes Grundstück = (Grundstück in m² x Bodenrichtwert) + Wert des Hauses.

Da der Wert des Hauses nicht vorhanden ist, ist auf einem unbebauten Grundstück diese Variable = 0 und fällt aus der Betrachtung heraus. In diesem Beispiel wäre aus Eigentümersicht der einzig zu recherchierende Wert der Bodenrichtwert. Dieser unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland, wobei es leider keine zentralisierte Stelle mit allen Informationen gibt.

Beispiel 2: Ein bebautes Grundstück

In diesem Beispiel ist die Gesamtrechnung für den Grundsteuerwert die gleiche, weshalb nur die Berechnung der Variable des Wertes des Hauses erklärt wird.

Grundsteuerwert ≈ Grundstückswert + Wert des Hauses

Der Wert des Hauses besteht aus mehreren Faktoren:

  1. Alter des Hauses: Hier wird von einer Restnutzungsdauer ausgegangen, welche sich u.a. an der Art des Gebäudes orientiert sowie vorgenommene Sanierungen berücksichtigt. Die Gesamtnutzungsdauer wird mit 80 Jahren angenommen.
  2. Theoretisch zu erzielbare Mieteinkommen pro m²: Dieser Faktor wird berücksichtigt, unabhängig davon, ob für die Immobilie wirkliche Mieteinnahmen generiert werden. Beeinflusst wird der Faktor u. a. durch die Lage der Immobilie. Anders seitig werden pauschale Bewirtschaftungskosten in der Berechnung abgezogen.
  3. Liegenschaftszinssatz: Dieser hängt ebenfalls von der Immobilienart ab (Einfamilienhaus, Wohnungseigentum, Mietwohngrundstücke) und der Gesetzgeber definiert ihn.

Diese komplexe Berechnung wird durch das Finanzamt mit den im Rahmen der Grundsteuererklärung übermittelten Werten durchgeführt.

Die Steuermesszahl wird korrigiert

Die Steuermesszahl hängt von der Grundstücksart ab (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, unbebaute Grundstücke, Einfamilienhäuser, Geschäftsgrundstücke usw.) und bewegt sich zwischen 0,31‰ und 0,55‰. Insgesamt wird die Steuermesszahl des Bundes reduziert.

Die Hebesätze werden angepasst – wirklich?

Dies ist zumindest der Vorschlag des Bundes und kann im besten Falle ein Versprechen sein. Wie man zu den Versprechen der Bundesregierung steht, ist jedem selbst überlassen. Fakt ist jedoch, dass es final nicht geklärt ist, ob es wirklich zu einer Anpassung der Hebesätze kommen wird. Dies entscheidet sich von Kommune zu Kommune.

Was bedeutet das nun für mich?

Viele fragen sich jetzt natürlich, ob sie zukünftig mehr oder weniger Grundsteuer zahlen müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt muss man sagen, dass man die genauen finanziellen Auswirkungen noch nicht feststellen kann. Zunächst einmal ist jeder verpflichtet, seine Grundsteuererklärung auszufüllen und an das Finanzamt zu übermitteln. Laut Angaben der Finanzämter wird es bei Verzug zunächst zu Erinnerungsschreiben und Aufforderungen kommen. Sollte diesen nicht nachgekommen werden, behalten sich die Finanzämter vor, eine selbstständige Schätzung des Eigentums durchzuführen. Es ist anzunehmen, dass diese eher zum Nachteil des Eigentümers ausfallen wird. Da das Finanzamt dahin tendiert, aus seiner Sicht großzügig zu schätzen. Falls Sie ihre Erklärung bereits abgegeben haben, haben sie voraussichtlich bereits einen Wertbescheid erhalten. Wichtig: Diese enthalten noch nicht die endgültigen Grundsteuerbeträge. Zur finalen Berechnung fehlt noch die Festlegung der Hebesätze in den Kommunen, welche 2024 erfolgen soll.

Laut Aussage des Bundes hat dieser vorgesehen, dass die Reform insgesamt „Aufkommensneutral“ durchgeführt wird. Was bedeutet, dass das derzeitige Steueraufkommen von rund 15 Milliarden Euro jährlich nicht steigen soll. Für den Individualfall hat dies jedoch erstmal nichts zu bedeuten. Da es hier durchaus zu Abweichungen nach oben und unten kommen kann. Hinzukommt, dass der Bund den Kommunen zwar empfohlen hat, die Hebesätze anzupassen; ob sie dem nachkommen ist jedoch nicht gesichert. Insbesondere die gegenwärtige Inflation setzt auch diese unter Druck und kann aus Sicht der Kommunen ein Argument dafür sein, die Hebesätze nicht anzupassen. Es ist anzunehmen, dass es in Regionen, in denen der Immobilienwert exponentiell angestiegen ist, zu Verschiebungen nach oben kommen wird. Welche zu einer höheren Grundsteuerbelastung für Ein- und Mehrfamilienhäuser führen wird.

Kritik an der Intransparenz bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte

Generell gibt es Kritik an der Reform des Bundes. So würden in den verschiedenen Bundesländern durch die Abweichungen in den Berechnungsmodellen vergleichbare Gebäude in extremen Maßen unterschiedlich hoch besteuert werden, kritisieren Fachleute.

Der Eigentümerverein „Haus & Grund“ rät Eigentümern beim Bundesmodell Widerspruch gegen die Bescheide einzulegen. Wichtig sei hierbei, nicht auf den finalen Wertbescheid 2025 zu warten, denn dann sei es zu spät. Stattdessen solle vom Widerspruchsrecht bei Eingang des ersten Wertbescheides Gebrauch gemacht werden. Die Frist hierzu beträgt 4 Wochen. Der Eigentümerverein kritisiert insbesondere die Intransparenz bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte. Welche wie oben erwähnt durch Gutachter in den jeweiligen Bundesländern festgesetzt werden. Hervor sticht hier das Land Baden-Württemberg, welches vom Bundesmodell abweicht und ein Bodenwertmodell anstrebt. Dieses wird bereits von vielen Experten als verfassungswidrig eingestuft. Weshalb primär in Baden-Württemberg ein Widerspruch gegen den Bescheid empfehlenswert ist.

Hierbei zeigt sich bereits das gesamte Dilemma: Wie im Bildungsbereich hat sich auch bei der Grundsteuerreform ein bundesdeutscher Flickenteppich mit insgesamt 7 verschiedenen Berechnungsmodellen gebildet:

Übersicht über die derzeitigen Grundsteuermodelle je Bundesland: https://grundsteuer.de/bundesland (Stand: 09. Mai 2023).

Im bereits erwähnten Beispiel Baden-Württemberg und seinem Bodenwertmodell, ist einzig und allein der Bodenrichtwert in Bezug zur Grundstücksfläche ausschlaggebend. Die Größe des Gebäudes spielt dabei jedoch keine Rolle. Sprich: Viel Grundstück (welches im Zweifel aufgrund eines Bebauungsverbotes gar nicht bebaut werden darf) und eine kleine Wohnimmobilie führen dennoch zu einer hohen steuerlichen Belastung. Eine Ungleichheit zu den anderen Modellen und damit ein großer Nachteil.

Weitere Kritikpunkte des Berechnungsmodells

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass insbesondere die letzten Jahre einen exorbitanten Anstieg bei den Immobilienpreisen bedeutet haben. Dieser, von vielen bereits als Blasenbildung identifizierter Anstieg, dient nun als Referenzwert. Eine Verzerrung! Zumal nicht davon auszugehen ist, dass es bei entsprechendem Preisrückgang auch zu einer gleichzeitigen Korrektur der Berechnungen kommen wird. Dies soll zwar so sein, doch die letzten Jahrzehnte haben bewiesen, dass der bürokratische Aufwand dafür viel zu hoch ist. Zudem tendierten der Staat und seine Organe weniger dazu, einmal erschlossene Einnahmequellen versiegen zu lassen.

Weiterhin ist die Realisierung der vermeintlich gestiegenen Werte für viele Menschen gar nicht von Interesse. Nämlich dann nicht, wenn sie im selbstgenutzten Eigenheim leben. In diesem Falle bringt dies gar nichts. Spekulanten sind hier eher die Begünstigten.

In den bereits erwähnten Abweicherländern Bayern, Niedersachsen, Hessen und Hamburg sieht dies ein wenig anders aus. In den dort angewandten Modellen ist der Bodenrichtwert nivelliert. Hingegen schaut man eher auf die tatsächliche Lage der Immobilien und berücksichtigt somit auch die infrastrukturellen Leistungen der Kommunen, welche letztlich ihr Steueraufkommen exakt hierfür verwenden sollen. Es ist daher anzunehmen, dass in diesen Bundesländern weniger Klagen eingehen.

Ist die Grundsteuerreform nun eine gerechte Anpassung oder eine Enteignungsinitiative?

Noch ist die einleitende Frage, ob es sich bei der Grundsteuerreform um eine gerechte Anpassung oder eine Enteignung handelt, nicht abschließend zu beantworten. Es offenbaren sich bereits jetzt viele Fälle, dass die Grundsteuer alles andere als gerecht ausfällt. Insbesondere ist zu erwarten, dass die Grundsteuerreform zu einer Erhöhung bei Einfamilienhaus- und Wohnungsbesitzern, sprich den klassischen deutschen Sparern und Häuslebauern, führen wird. Dies geht auch aus einem Rechenmodell des Bundesministeriums der Finanzen hervor.

Zu Vergünstigungen kommt es hingegen bei Großwohnimmobilien, wie großen Genossenschaftskomplexen. Vonovia und Co. können sich also freuen. Genau das, ob nun gewollt oder nicht, bestätigt die Thesen eines tendenziellen Gesellschaftsumbaus weg vom Einfamilienhaus und Privateigentum. Selbst wenn die Steuerlast substantiell gleichbleibt, wie von Olaf Scholz in einem Interview mit dem Handelsblatt geäußert, so ist doch eine deutliche Umverteilung der Last zu erwarten. Und dies einmal wieder weg von den Konzernen hin zu den Privatleuten, zum schaffenden Mittelstand.

Was bleibt jetzt?

Ob die Grundsteuerreform nun, wie von einigen prognostiziert, wirklich das Instrument zur staatlichen Enteignung ist, ist nicht feststellbar. Diese Vermutung wurde insbesondere durch das 2019 reformierte und 2024 in Kraft tretende Lastenausgleichsgesetz bestärkt. Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel äußerte sich einst, dass über diese Maßnahme des „Lastenausgleichs“, wie es ihn 1952 bereits einmal in der Bundesrepublik gegeben hat, in Anbetracht der gegenwärtigen Situation nachgedacht werden müsse. Ob dem so ist, wird sich zeigen.

Es gibt jedoch auch Stimmen, die darauf verweisen, dass eine solche Form der Enteignung zu viel Vertrauen der Bürger in den Staat zerstören würde. Sie spekulieren daher eher darauf, dass sich der Staat anderer Wege bedienen wird, um Geld in die Staatskasse zu leiten. Beispiele wären eine Erhöhung der Einkommenssteuer sowie der Erbschaftssteuer.

Wie es am Ende auch sein mag, im gegenwärtigen makroökonomischen Umfeld und der dauerhaft krisengebeutelten Bundesrepublik Deutschland ist voraussichtlich nicht von Entlastungen auszugehen. In welcher Form die Erhöhungen letztlich beim Bürger ankommen, bleibt abzuwarten. Es gibt jedoch einige Indikatoren, die darauf schließen lassen, dass die Grundsteuerreform zumindest einen Teil wieder stärker belasten wird – den einfachen Sparer und Mittelständler.  

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Autor: Kevin Komotzki

Kevin Komotzki ist Wirtschaftswissenschaftler und Informationsarbeiter. Als solcher liebt er es neue Themengebiete für sich zu erschließen. In Wissen und Erfahrung sieht er das größte Kapital, weshalb er diese im Rahmen seiner Gesellschafterrolle in der Pentallum oHG gern weitergibt. Er freut sich über jeden Austausch mit interessanten Menschen. Darum kümmert er sich bei der Pentallum oHG vorrangig um die Kommunikation und den Vertrieb.