1x1 der Finanzen Blog

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Der Widerspruch in meinem politischen Kompass: Ein persönlicher Blick auf das Dilemma moderner Wahlsysteme

Eigentlich möchte ich mich gar nicht mit Politik beschäftigen. Der antike Philosoph Epirus sagte einst: „Wer gescheit ist, treibt keine Politik.“ Dieser Gedanke spiegelt meine Überzeugung wider, dass die Auseinandersetzung mit Politik oft mehr Probleme als Lösungen bringt und die wahren Bedürfnisse und Werte der Menschen leicht übersieht. Trotzdem finde ich mich immer wieder in einem politischen Spannungsfeld wieder. Nicht zuletzt wegen der komplexen Natur unserer modernen Gesellschaft.

Das heutige links/rechts-Denken in der Politik, das die meisten Debatten prägt, erscheint mir besonders fremd. Diese simplifizierende Einteilung in politische Lager spiegelt nicht die komplexe Realität unserer individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse wider. Ich kann mit dieser Art der Kategorisierung wenig anfangen, da sie keine nuancierte Betrachtung der vielfältigen Themen erlaubt, die unser tägliches Leben beeinflussen.

Warum nur eine politische Farbe wählen?

Ich sehe mich als vielschichtige Person, und meine politischen Überzeugungen sind es auch. Ein Zitat von den Brüdern Geoff und Vince Graham, das ich in Nassim Nicholas Talebs Buch „Das Risiko und sein Preis: Skin in the Game“ gefunden habe, bringt dies auf den Punkt: „Auf Bundesebene bin ich Liberalist; auf Staatsebene Republikaner; auf Kommunalebene Demokrat; und auf der Verwandten- und Bekanntenebene Sozialist.“ Diese Worte beschreiben perfekt das Dilemma, mit dem ich und viele andere konfrontiert sind, wenn wir versuchen, unsere politische Identität in die starren Kategorien unseres Wahlsystems zu pressen.

Auf der Bundesebene unterstütze ich liberale Ansätze, weil ich glaube, dass sie die besten Lösungen für nationale Herausforderungen bieten können. Auf Staatsebene neige ich zu einer konservativeren Haltung, um lokale Wirtschaftsstrukturen zu stärken, die direkt mein Umfeld betreffen. Kommunal würde ich gerne progressive Ideen vorantreiben, die direkten Einfluss auf das Leben meiner Nachbarn haben. Und in meinem ganz persönlichen Umfeld, bei Familie und Freunden, lebe ich Werte, die man als sozialistisch bezeichnen könnte – es geht um Fürsorge und Unterstützung füreinander.

Aber das aktuelle Wahlsystem verlangt von mir, mich in eine Schublade zu legen. Ich muss mich entscheiden, als wäre meine politische Identität eindimensional. Das fühlt sich oft falsch und unbefriedigend an, weil ich gezwungen werde, Teile meiner Überzeugung zu opfern, um in das vorgegebene Schema zu passen.

Die Kreise des Hierokles als Inspiration

Die alte stoische Idee der Kreise des Hierokles könnte eine Lösung bieten. Diese Philosophie sieht unsere sozialen Bindungen als eine Reihe von konzentrischen Kreisen. Im Zentrum wir selbst, dann unsere Familie und Freunde. Gefolgt von der lokalen Gemeinschaft, der Gesellschaft und schließlich der ganzen Menschheit. Jeder Kreis steht für eine Ebene der Zugehörigkeit und Verantwortung.

Könnte unser politisches System nicht auch so flexibel sein? Ich wünsche mir ein System, das es mir ermöglicht, auf jeder dieser Ebenen entsprechend meiner Überzeugungen zu wählen, ohne als widersprüchlich betrachtet zu werden.

Ein persönlicher Appell für mehr Flexibilität in der Politik

Als jemand, der sowohl im Goldhandel als auch in der Bildung tätig ist, sehe ich täglich, wie unterschiedlich die Bedürfnisse und Lösungen auf verschiedenen Ebenen sein müssen. Ich wünsche mir ein politisches System, das diese Vielschichtigkeit anerkennt. Es uns erlaubt, unsere politischen Identitäten so flexibel und dynamisch zu gestalten, wie es die realen menschlichen Beziehungen erfordern. Ein solches System könnte nicht nur die politische Beteiligung und Zufriedenheit steigern. Sondern auch dafür sorgen, dass sich mehr Menschen wirklich repräsentiert fühlen.

Es ist an der Zeit, dass wir die Politik so menschlich und vielseitig gestalten, wie die Menschen, die sie vertreten soll. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere politischen Systeme nicht nur existieren, um Macht zu verwalten, sondern um echte menschliche Bedürfnisse zu erfüllen.

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.