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Der Schein trügt – Inflation auf dem Vormarsch

Starker Anstieg der Inflation: Grund zur Sorge?

Im Juli stiegen die Preise in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,8 % – Experten hatten mit einer Inflation von 3,3 % gerechnet. Das ist die höchste Inflationsrate seit 1993. Diese Entwicklung hängt unmittelbar mit dem nahenden Ende der Coronakrise zusammen. Auch die höhere Mehrwertsteuer seit Jahresanfang spielt eine Rolle.

Eine steigende Inflation hatten Fachleute erwartet. Während der Pandemie brach die Wirtschaft kräftig ein, ein Aufschwung und Preissteigerungen sind nun die logischen Konsequenzen. Doch der Preisauftrieb fiel überraschend stark aus, zudem beeindruckt die Dynamik. Im Juni lag die Inflation noch bei 2,3 % im Vergleich zum Vorjahresmonat, einen Monat später sind es 3,8 %. Der Bundesbankpräsident Jens Weidmann und viele andere Ökonomen prognostizieren mittlerweile, dass sich die Inflationsrate im Lauf des Jahres auf 5 % zubewegt. Erst im nächsten Jahr dürfte sich die Inflation deutlich abschwächen.

Energie, Lieferengpässe und Mehrwertsteuer: Das sind die Gründe für den Preisanstieg 

Die enormen Preissteigerungen beruhen auf vielfältigen Ursachen. Im Zuge der staatlichen Maßnahmen gegen Corona war die Wirtschaftstätigkeit in vielen Branchen eingeschränkt – nun gibt es Nachholeffekte. Das treibt die Nachfrage nach Energie und zahlreichen Produkten sowie Vorleistungen in die Höhe. Entsprechend stark steigen momentan die Preise für Öl und viele Rohstoffe wie Holz. Für Verbraucher bedeutet das in zahlreichen Bereichen Preiserhöhungen. So zahlen sie für Heizöl, Benzin und Diesel wesentlich mehr als vor einigen Monaten. Aufgrund der großen Nachfrage kosten auch Produkte wie Möbel und Haushaltsgroßgeräte mehr. Zudem gibt es mit 4,3% im Vergleich zum Vorjahr einen drastischen Preisanstieg bei Nahrungsmitteln. Das lässt sich auf Verwerfungen in der Produktion zurückführen. In einigen Ländern fehlten zum Beispiel Erntehelfer, weil sie wegen Reisebeschränkungen nicht einreisen durften.

Ein Sonderfaktor in Deutschland ist die Mehrwertsteuer. Im Zuge der Coronakrise sank der volle Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 %, der ermäßigte Satz reduzierte sich von 7 auf 5 %. Mit dieser Maßnahme wollte die Bundesregierung die Konjunktur stützen. Zum Jahreswechsel 2021 lief sie aus, seitdem gelten wieder die alten Mehrwertsteuersätze: Dieser steuerliche Effekt treibt die Preise hierzulande zusätzlich an. 

Sinkt die Inflationsrate nach der wirtschaftlichen Aufholjagd wieder? 

Das Bundeswirtschaftsministerium und zahlreiche Ökonomen gehen davon aus, dass es sich bei der hohen Inflation um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Erstens könnte sich der Wirtschaftsaufschwung bald abschwächen, die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen könnte zurückgehen. Die Folge wäre ein Rückgang der Teuerung. Zweitens wirkt sich die faktische Mehrwertsteuererhöhung nur dieses Jahr aus. Das liegt auf der Hand: Im kommenden Jahr sind die erhöhten Sätze im Vorjahresvergleich eingepreist. 

Es bleiben jedoch Unsicherheiten. So weiß niemand, wie sich die Nachfrage entwickelt. Bei vielen Rohstoffen wie Öl und Holz kommt es auf die Weltwirtschaft an: Die US-Regierung stützt die eigene Wirtschaft zum Beispiel mit einem historisch umfangreichen Konjunkturprogramm, das bis weit in das nächste Jahr hinein den Ölmarkt und andere Märkte beeinflussen könnte. Andererseits kann ein Wiederaufflammen der Coronakrise gegenteilig wirken und den Wirtschaftsaufschwung sowie die Teuerung bremsen. 

Risiko einer längerfristigen hohen Inflation: Das würde der Weltwirtschaft drohen

Die Europäische Zentralbank strebt grundsätzlich eine Inflationsrate von 2 % an – im Rahmen der Coronakrise toleriert sie zwischenzeitlich einen höheren Wert. Damit will sie die schnelle wirtschaftliche Erholung fördern. Wie die meisten Fachleute nimmt sie an, dass die Inflation ab nächstem Jahr wieder zurückgeht. Doch was passiert, wenn die Teuerung auf einem hohen Niveau verharrt? Das wäre für die EU-Wirtschaft fatal. Dann müsste die EZB ihre Niedrigzinspolitik beenden und die Zinsen schrittweise erhöhen. Die Erhöhung der Leitzinsen ist ein klassisches Instrument der Inflationsbekämpfung. Sie reduziert jedoch das Wirtschaftswachstum. In der Eurozone kommt das Problem der hohen Staatsverschuldung hinzu: Wenn Staaten wie Griechenland, Spanien und Italien mehr Zinsen für Staatsanleihen zahlen müssten, würde bald eine neue Schuldenkrise drohen. 

Reaktion auf Preissteigerungen: Gewerkschaften fordern Lohnerhöhungen

Eine wichtige Voraussetzung für einen abnehmenden Inflationsdruck 2022 ist, dass es keine zu großen Lohnsteigerungen gibt. Lohnerhöhungen können die Inflation anheizen, weil sie die Nachfrage anwachsen lassen. Bisher existieren keine Anzeichen, dass dieses Szenario eintritt. Mit Verdi fordert aber die erste große Gewerkschaft deutliche Gehaltssteigerungen: Die Gewerkschafter argumentieren mit dem momentanen Preisauftrieb und den damit einhergehenden Kaufkraftverlusten. Tatsächlich übertrifft die Inflationsrate das erste Mal seit einem Jahrzehnt die Lohnerhöhungen: Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass sie sich weniger leisten können. Die Forderung von Verdi ist deshalb nachvollziehbar, könnte bei zu hohen Lohnsteigerungen jedoch eine Inflationsspirale in Gang setzen.

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.