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Wohlstandsverzicht oder länger arbeiten – der demografische Wandel kennt keine Gnade

Deutschland wird manchmal als „das Land der Rentner“ bezeichnet. Das ist schon nach aktuellem Stand nicht unbedingt falsch. Existierten im Jahr 1991 noch 15 % Rentner an der Gesamtbevölkerung, waren es 2021 dann schon 22 %. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten sieht es sogar noch weitaus schlechter aus. Deutschland steht vor einer bedingungslosen Überalterung, wie sie schon Japan ereilte und da seit gefühlten Ewigkeiten für Stagnation und einen hoch verschuldeten Staatshaushalt sorgt.

Immer mehr Rentner, immer weniger Erwerbstätige

Ein noch gravierenderes Bild zeichnet das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern. In einem Umverteilungssystem wie dem der Bundesrepublik, finanzieren die aktuell Erwerbstätigen immer die Renten der Senioren, bis die Erwerbstätigen nachziehen und selbst zu Rentnern werden, um dann von der jüngeren Generation finanziert zu werden.

Dieser Mechanismus macht es notwendig, dass eine grundsätzliche Balance zwischen Erwerbstätigen und Rentnern besteht, anderenfalls steigen die Belastungen für die Einzahler massiv an, während die Auszahler immer höhere Summen einfordern – oder alternativ das vorhandene Geld auf mehr Köpfe verteilt wird, wodurch dann jeder Rentner weniger erhält.

Diese Balance existiert in Deutschland nicht mehr. Schlimmer noch: Die Waage wird in der Zukunft immer stärker kippen. Das zeigt ein Blick auf das Verhältnis zwischen der „inaktiven Bevölkerung“ (also Rentnern) im Vergleich zur Erwerbsbevölkerung:

  • im Jahr 2000 bezifferte sich der Anteil auf rund 34 %, für jeden Rentner gab es also drei Erwerbstätige, die dessen Rente finanzieren
  • im aktuellen Jahr beträgt der Anteil rund 49 %, das heißt es gibt nur etwas mehr als zwei Erwerbstätige pro Rentner
  • in 2040 wird sich die Quote Prognosen nach auf 71 % beziffern
  • im Jahr 2025 auf rund 74 % – dann gibt es also nur noch rund 1,25 Erwerbstätige per Rentner

Das kann und wird nicht funktionieren. Schon heute hält die Bundesrepublik, was die Steuern- und Abgabenlast anbelangt, einen traurigen internationalen Spitzenplatz. Unvorstellbar, dass die Einzahlungen in die Rentenkasse auf Seite der Erwerbstätigen sogar noch weiter ansteigen. Dann steht zwangsläufig irgendwann eine Situation im Raum, wo der deutsche Erwerbstätige rund drei Viertel des Jahres nur noch für seine Steuern und Abgaben arbeitet.

Babyboomer gehen in den Ruhestand

Die Babyboomer-Generation wird ab Anfang der 2030er-Jahre schrittweise in Rente gehen. Danach folgen die geburtenschwachen Jahrgänge, die Anzahl der Rentner steigt also fortlaufend an, die der Erwerbstätigen stagniert oder nimmt ab. Das zeigt sich natürlich nicht nur bei der Rente. Schon heute ist „Fachkräftemangel“ ein Wort, das man nahezu täglich in den Nachrichten liest. Abgesehen von Fachkräften, fehlt es auch an Arbeitnehmern mit Spezialwissen, sei es aus der IT oder im Handwerk. Deutschlands Überalterung sorgt damit für eine Implosion der Rentenkasse auf der einen Seite, immer höheren Steuern und Abgaben bei Erwerbstätigen auf der anderen Seite und mittendrin noch für fehlendes Personal, um weiterhin Wirtschaftswachstum und Wohlstand zu garantieren.

Die Politik in Deutschland hat über Jahrzehnte tatenlos zugeschaut, die Entwicklung sogar noch weiter verschärft. Schon heute ist Wohneigentum aus eigener Arbeitskraft heraus kaum noch finanzierbar, im Gegenzug werden vorhandene Vermögen nahezu ohne Steuerbelastung von Generation zu Generation vererbt. Simultan hat Deutschland einen ausgeprägten Niedriglohnsektor und immer mehr Unternehmen entscheiden sich aufgrund der hohen Energiekosten, des Fachkräftemangels und/oder unendlich vielen bürokratischen Hürden für einen Wegzug ins Ausland oder zumindest eine Teilverlagerung der geschäftlichen Tätigkeit.

Dazu gleich das nächste Problem: Mit dem ständigen Älterwerden der deutschen Bevölkerung explodieren auch die Kosten im Gesundheitswesen weiter, da weniger junge, gesunde Menschen einzahlen und immer mehr ältere Personen medizinische Leistungen beanspruchen (müssen).

Ein einfacher Ausweg aus dieser Misere existiert nicht!

Zu lange hat die Politik geschlafen und diese Entwicklungen teils sogar unterstützt. Nun gibt es keine einfachen Lösungen mehr: Entweder wir verzichten auf Wohlstand oder wir arbeiten länger, um das Rentner-Erwerbstätigen-Verhältnis irgendwie zumindest halbwegs in Balance zu halten. Aber auch das ist im Endeffekt nichts anderes als ein Wohlstandsverlust: Denn wer kann und möchte, vor allem in technologischen oder körperlich fordernden Berufen, mit 68 oder 69 Jahren überhaupt noch 40 Stunden die Woche arbeiten?

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.