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Werden wir dümmer und wenn ja, warum?

Sind wir Menschen am Höhepunkt unserer Intelligenz angekommen?

Seit Beginn der Entwicklung von Intelligenztests in den 1920er Jahren ging es mit der Intelligenz kontinuierlich nach oben. Ist damit nun Schluss? Diese Möglichkeit legt der sogenannte negative-Flynn-Effekt nahe, der nicht nur eine Stagnation, sondern einen Rückgang der Intelligenz anzeigt. Bei genauerem Hinsehen ergibt sich aber ein differenzierteres Bild.

Was ist der Flynn-Effekt?

Zunächst zum nach James Flynn benannten Flynn-Effekt. Der neuseeländische Psychologe konstatierte in den 1980er Jahren einen durchschnittlichen Anstieg der Intelligenz um 0,3 Punkte pro Jahr oder 3 Punkte pro Dekade. Intelligenztests, die als Basis für die Messung der Intelligenz herangezogen werden, sind Anfang des 20. Jahrhunderts von dem französischen Psychologen Alfred Binet erfunden worden.

Die Erklärungsversuche für den Flynn-Effekt sind nicht weniger vielfältig als die vermuteten Ursachen für seine mutmaßliche Umkehr. Eine im Laufe des 20. Jahrhunderts stark verbesserte Ernährungslage könnte eine Rolle gespielt haben. Flynn selbst ging davon aus, dass es sich um eine Art Belohnungseffekt handelt.

Die Anforderungen an den durchschnittlichen Menschen haben sich im Laufe der letzten 100 Jahre stark vom körperlichen in den geistigen Bereich verlagert, worauf die Menschen dann mit mehr Köpfchen reagierten. Auch die Zunahme von visuellen Reizen wird als Ursache herangezogen und ebenso ein Trainingseffekt: Jeder, der möchte, kann sich intensiv auf Intelligenztests vorbereiten, da solche Tests frei verfügbar sind.

Schon in den 70er Jahren ein Rückgang der Intelligenz

Nun soll es also vorbei sein mit der ständigen Zunahme von Intelligenz. Es gibt tatsächlich einige Studien, die einen negativen oder Anti-Flynn-Effekt nahelegen. Eine gute Datenbasis stammt aus Norwegen. Dort wurde die Intelligenz junger Männer von 1962 bis 1991 bei der Musterung erfasst. Die Forscher Bernt Bratsberg und Ole Rogeberg analysierten diesen Datenschatz und kamen zu dem Ergebnis, dass sich der Anstieg bereits Mitte der 70er Jahre in einen Abstieg um 2 Punkte pro Dekade umkehrte.

Auch aus Estland und Finnland gibt es ähnliche Zahlen und ebenso aus anderen Weltregionen, etwa aus den USA oder aus der sudanesischen Hauptstadt Karthum. Diese sind meist jüngeren Datums und legen einen Rückgang der Intelligenz ab Mitte der 90er Jahre nahe.

In anderen Ländern wie Deutschland oder Österreich wurde ein Rückgang nur in Teilbereichen der Intelligenz festgestellt. Bei uns und in der benachbarten Alpenrepublik nimmt das räumliche Vorstellungsvermögen ab, während der IQ insgesamt noch ansteigt. Die Briten dürfen über einen Rückgang des abstrakten Denkvermögens klagen, aber auch hier zeigt der allgemeine Trend noch nach oben.

Wer ist nun schuld – Erklärungsversuche

Wer oder was ist nun schuld an der Verdummung, sofern sie denn tatsächlich stattfindet? Zwei Faktoren werden besonders häufig als Ursache genannt: Dysgenie und Migration. Dysgenie bedeutet einfach: Intelligente Menschen bekommen weniger Kinder als Menschen mit einem geringen IQ. Bei der Migrationsthese geht man davon aus, dass überwiegend Menschen mit geringem IQ sich in andere Länder aufmachen.

Beide Thesen sind angesichts der Daten aus Norwegen nicht haltbar. Diese zeigen nämlich, dass sich die Absenkung des IQs innerhalb von Familien nachweisen lässt. Dysgenie und Migration scheiden hier also als Ursache aus. Andere Thesen sind ebenfalls nur Thesen. Das Nutzungsverhalten von Medien soll schuld sein, das Bildungssystem oder eine sich wieder verschlechternde Ernährung: diesmal nicht als Mangelernährung wie von 100 Jahren, sondern als ungesunde Ernährung.

Eine andere Perspektive

Es gibt aber noch eine ganz andere Perspektive: An der Intelligenz hat sich im Wesentlichen gar nichts geändert, sondern die Anforderungen an das Gehirn haben sich gewandelt, wie schon einmal beim Übergang von primär körperlicher zu geistiger Arbeit. Unsere zunehmend digital vernetzte Gesellschaft wäre dann nicht Ursache für abnehmende Intelligenz, sondern würde eine Anpassung an ihre Erfassung erfordern.


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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.