1x1 der Finanzen Blog

, , ,

Die Aktienrente kommt – rettet sie unser instabiles Rentensystem?

Viele Jahre hat die Politik mit dem Vorhaben gerungen, laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) soll es nun kommenden Sommer so weit sein: Die Regierung möchte eine Aktienrente (Generationenkapital) etablieren, um das umlagebasierte Rentenmodell langfristig zu entlasten. Den Anfang sollen dafür 10 Milliarden Euro Einlagekapital machen, die jedes Jahr um weitere 10 Milliarden ergänzt werden. Aber es lohnt sich ein Blick auf die Details.

Was ist mit Aktienrente gemeint – und wozu soll diese dienen?

Zunächst ist dafür ein Blick auf das deutsche Rentensystem notwendig: Selbiges ist umlagefinanziert, was bedeutet, die aktuell Erwerbstätigen zahlen einen Teil ihres Bruttogehalts ein, wodurch den aktuell im Ruhestand befindlichen Menschen ihre Rente finanziert wird. Später rücken die heute Erwerbstätigen dann nach und bekommen ihre Rente von der nächsten Generation in Erwerbstätigkeit finanziert.

Das Problem: Dieses umlagefinanzierte System funktioniert nur, solange ein ungefähres Gleichgewicht zwischen Einzahlern und Auszahlern gegeben ist – denn das Geld in der Rentenversicherung arbeitet nicht, sondern wird kontinuierlich von einer Hand in die nächste Hand weitergereicht. Deutschlands stetig älter werdende Gesellschaft („Demografieproblem“) sorgt nun dafür, dass immer mehr Menschen Rentenauszahlungssprüche haben. Die Einzahler werden hingegen in Zahlen weniger, also kommt entweder weniger Geld bei Rentnern an, Einzahler müssen mehr einzahlen oder der Staat muss Auszahlungen subventionieren. Alle drei Umstände finden bereits jetzt statt.

Die Aktienrente als Modell zur Deckung der Rentenlücke

Die Dysbalance soll die „Aktienrente“, die die Bundesregierung offiziell als „Generationenkapital“ bezeichnet, negieren. Damit erhält das aktuell ausschließlich umlagefinanzierte Rentensystem also eine kapitalgedeckte weitere Stütze.

In der Praxis soll das so aussehen:

  • der Bund zahlt zum Einstand 10 Milliarden Euro in einen Fonds
  • jedes Jahr sollen weitere Einzahlungen in Höhe von 10 Milliarden stattfinden
  • das Kapital soll uneingeschränkt (ohne Entnahme) bis mindestens 2037 investiert bleiben
  • verwaltet werden soll das Kapital von der bundesnahen KENFO-Stiftung, die bereits den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung verwaltet (und daher auch ihren Namen hat)
  • Nachhaltigkeitskriterien soll die KENFO bei der Anlage der Gelder berücksichtigen
  • im Falle eines Verlustes trägt der Bund das Risiko

Das Kapital für die Einzahlungen soll übrigens aus neu aufgenommen Schulden kommen. Aktuell würden gemäß der Staatsanleihenverzinsung von Rentenpapieren der Bundesrepublik etwa 2 % Zins auf den Bund zukommen – der sich offensichtlich ausrechnet, durch die langfristige Anlage am Kapitalmarkt mindestens eine höhere Rendite als 2 % einzunehmen. Die langfristige historische Kapitalmarktrendite von breit gestreuten Indizes betrug bisher rund 7 bis 8 % p.a.

Der Bund hat ein Eigeninteresse daran, dass der Aktien-Rentenfonds tatsächlich rentiert. Bereits im Jahr 2022 musste der Bund mehr als 100 Milliarden in die gesetzliche Rentenversicherung bezuschussen, weil die Einzahlungen der Erwerbstätigen nicht ausreichten, um die Renten der Rentenbezieher zu finanzieren. Diese Bezuschussung ist zugleich einer der größten Haushaltsposten in der Bundesrepublik und lastet daher schwer auf der Haushaltsplanung jeder Regierung.

Vor- und Nachteile des geplanten „Generationenkapitals“

Immer gilt: Viel ist von der Umsetzung abhängig und bis zum Sommer, wo die Aktienrente den Bundestag passieren soll, kann noch viel passieren.

Generell bringt das Aktienrentenmodell diese Vorteile mit:

  • Chance (teilweise) die durch die immer älter werdende deutsche Gesellschaft entstandene Rentenlücke zu schließen
  • die Kapitaldeckung kann ab der Auszahlungsphase den Bundeshaushalt entlasten, da weniger hohe Zuschüsse in die RV notwendig werden
  • die Bundesrepublik und ihre Einwohner partizipieren aktiv am Kapitalmarkt und dessen zu erwartender Rendite
  • keine Mehrbelastungen für Einzahler, da das Kapital der Bund schuldenfinanziert bereitstellt

Welche Nachteile gibt es?

  • entstehen Verluste, wird Kapital erodiert und der Bund verliert doppelt (durch die Zinszahlungen auf seine aufgenommenen Schulden und durch die Kapitalmarktverluste selbst)
  • die anvisierten Beträge könnten (viel) zu gering sein, um die immer größer werdende Rentenlücke durch die demografische Entwicklung Deutschlands zu schließen
  • keine Möglichkeit für Einzahler vorgesehen, um durch optionale Zahlungen ihren Anteil an der Aktienrente zu erhöhen
  • der Zeitpunkt ist nicht optimal, denn noch vor zwei Jahren hätte der Bund quasi Schulden zum Nulltarif aufnehmen können, nun wird durch den gestiegenen Leitzins ein höheres Zinsniveau fällig
  • keine Transparenz bezüglich der Entwicklung des Fonds und des personenbezogenen Anteils, anders als beispielsweise in Schweden

Als Ergänzung zum letzten Punkt: In der kapitalgedeckten Rente Schwedens ist vorgesehen, dass Erwerbstätige 2,5 % ihres Bruttoeinkommens in den Aktienfonds einzahlen. Höhere Einzahlungen (Spar- und Altersvorsorgeanreize) sind möglich. Jedes Jahr erhalten schwedische Staatsbürger eine Information des Aktienfonds, der transparent darlegt, wie groß der eigene „Aktienstapel“ ist und wie dieser rentierte – bei Gewinnen ebenso wie bei Verlusten.

Kritik bezüglich der geplanten Aktienrente kommt unter anderem von Gewerkschaften und dem Sozialverband Deutschland. Beide hatten sich viele Jahre gegen eine Kapitaldeckung der Rente gestellt und argumentiert, am Aktienmarkt lässt sich keine Rentenpolitik betreiben – wie sich eben diese in einer immer älter werdenden Gesellschaft in einem umlagefinanzierten System betreiben lassen soll, gaben deren Vertreter seither aber nicht an.

Meine persönliche Meinung – Deutschland auf dem Weg in den Sozialismus

Der Staat breitet sich im Leben der Bundesbürger immer weiter aus. Er kümmert sich mittlerweile um unsere Gesundheit, die Bildung, den Arbeitsmarkt, die Rente etc. Die Abhängigkeit der Menschen von diesem Staat nimmt immer weiter zu. Mit dieser Entwicklung ist die Bundesrepublik Deutschland auf dem Weg in den Sozialismus. Zumindest nach der Definition von Helmut Kohl: „Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus“. Die Staatsquote von Deutschland betrug im Jahr 2022 ca. 49,7 Prozent. Eine sehr beunruhigende Entwicklung.

Staatlich organisierte Standardprodukte haben noch nie nachhaltig funktioniert. Viele Sparer in Deutschland hadern mit der staatlich geförderten Riester-Rente. Diese und andere Lebens- und Rentenversicherungen sind für den Staat eine interessante Möglichkeit, seine Staatsverschuldung weiter auszubauen. Mit dem Geld der Bürger. Dass diese davon nicht profitieren, zeigen aktuelle Wertmitteilungen dieser Policen ganz deutlich. Ganz zu schweigen von der sich immer weiter ausbreitenden Inflation, die die private Altersvorsorge zu einem Vabanquespiel werden lässt. Anstelle immer neue Ideen und Vorschläge einzubringen, wäre es ratsam, sich vollständig aus der privaten Vermögensbildung der Bundesbürger herauszuhalten. Und nicht nur da. Ein Rückzug des Staates aus diesem Segment wäre eine sinnvolle Möglichkeit, um das Problem anzugehen. Die Altersvorsorge ist ein persönliches Problem und muss von jedem Menschen in Selbstverantwortung gelöst werden.

Beitrag von 1x1 der Finanzen Blog teilen:
Foto des Autors

Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.