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Eine Rezession, viele Fragen und düstere Lage bei der Produktivität

Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal 2022 um 0,9 % geschrumpft. Im ersten Quartal war das BIP bereits um 1,6 % zurückgegangen. Damit sind die Bedingungen für eine Rezession erfüllt, die meist als ein über mindestens zwei Quartale rückläufiges Wirtschaftswachstum definiert wird. Dennoch wird derzeit heftig darüber gestritten, ob sich die USA in einer Rezession befindet und wenn ja, wie schwer und lang diese sein wird.

Rezession in ungewohntem Gewand

Zunächst einmal ist es richtig, dass es andere und wesentlich elaboriertere Definitionen einer Rezession gibt als die „Haushaltsregel“ mit zwei Quartalen rückläufigem Wirtschaftswachstum. Laut dem US-amerikanischen National Bureau of Economic Research umfasst das Rezept für eine Rezession diese Zutaten:

  • ein erheblicher Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität
  • Betroffenheit des gesamten Markts
  • dauert länger an als ein paar Monate
  • sichtbar im realen BIP und Realeinkommen
  • sichtbar in der Beschäftigung, der Industrieproduktion und im Groß- und Einzelhandel

Wie man sieht, ist diese Definition zwar umfangreicher, aber auch schwammiger. „Erheblicher Rückgang“ und „länger als ein paar Monate“ sind interpretationsoffen. Unstrittig ist jedoch, dass weder die Industrieproduktion, noch der Handel, noch der Arbeitsmarkt rezessionstypische Merkmale zeigen.

Insofern ist die Bewertung, ob sich die USA in einer Rezession befinden oder nicht, eher akademisch. Spannender ist die Frage, ob sich die noch positiven Faktoren mit Verzögerung ebenfalls drehen oder ob im Gegenteil das Wirtschaftswachstum im 3. Quartal wieder anzieht, gewissermaßen als sei nichts gewesen.

Fed-Dilemma, Ölpreis und Inflationsfaktoren in der Pipeline

Die Fed befindet sich nach wie vor in einer Zwickmühle. Senkt sie die Zinsen weiter und stärker als bisher, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen, dürfte eine tiefere Rezession nicht zu vermeiden sein. Zeigt sich die Notenbank zu zaghaft, droht die Inflationsrate nach einem minimalen Rückgang auf „nur“ 8,5 % im Juli wieder anzuziehen.

Der Rückgang in homöopathischer Dosis ist im Wesentlichen einem recht deutlichen Fall der Ölpreise nach den Preisspitzen im Juni geschuldet. Es handelt sich allerdings um einen Rückgang auf hohem Niveau. Der aktuelle Preis von gut 93 Dollar liegt immer noch weit über dem langjährigen Mittel.

Eine weitere Abschwächung der Inflation ist angesichts der treibenden Faktoren in der Pipeline, namentlich der Mieten, eher unwahrscheinlich. Das Bureau of Labor Statistics veranschlagt die Inflation bei den Mieten auf 6,1 %. Die Methodik macht die Zahl aber eher zu einer Art nachlaufendem Indikator. Der aktuelle Stand der Dinge wird akkurater im Zillow Index gemessen, der eine Mietinflation von rund 15 % ausweist.

Produktivität lässt zu wünschen übrig

Vor allen mehr oder weniger kreativen Anpassungen ist das BIP das Ergebnis einer Multiplikation der Arbeitskräfte mit ihrem ökonomischen Output. Liefert dieselbe Menge an Arbeitskräften mehr Output, spricht man von einem Produktivitätsgewinn, reduziert sich der Output, ist das ein Produktivitätsverlust. Mit einem solchen haben wir es in den USA derzeit zu tun.

Das erste Quartal 2022 war von einem Produktivitätsrückgang in der Höhe von 7,4 % gekennzeichnet – der größte Negativwert seit 1947. Dem folgte im zweiten Quartal ein weiterer Rückgang um 4,6 %. Das wahrhaft Erschreckende: Der Rückgang war von einer deutlich erhöhten Zahl der geleisteten Arbeitsstunden begleitet: im ersten Quartal um 5,4 % und im zweiten Quartal um 2,6 %.

Mehr Arbeitsstunden = weniger Output: Das ist eine wenig zuversichtlich stimmende Gleichung, sowohl für das Wirtschaftswachstum als auch für die Inflation. In der sinkenden Produktivität zeigt sich die Kehrseite des angeblich gesunden Arbeitsmarkts. Sicher, die Arbeitslosenquote war mit 3,5 % im Juli sehr niedrig. Der Sinn von Arbeit aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist aber nicht Beschäftigung als irgendwie abgeleistete Zeit, sondern als Mittel für Produktivitätszuwächse.

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Autor: Ronny Wagner

Ronny Wagner ist Finanz-Blogger, Geldcoach, Inhaber des Edelmetallhändlers Noble Metal Factory und Gründer der „Schule des Geldes e.V.“. Er widmet sich seit 2008 dem Thema „Finanzbildung“ und hält das für einen Teil der Allgemeinbildung. Dabei ist sein Ziel, Menschen in finanziellen Fragestellungen auszubilden, um dadurch ein Leben in Wohlstand zu erreichen.